Bears with Balalaikas

Die meisten Leute, die ich gesprochen habe, haben mich vor Russland gewarnt. Schau dir nur den verrückten Verkehr auf Youtube an, miserable Strassen, die saufen alle den ganzen Tag Vodka, Schlägereien und aggressives Verhalten, immer nur Winter in Sibirien und überall Bären auf der Strasse ...

 

Genau so ist es! Alex, der Werkstatt Chef hier in Moskau meinte nur "Everywhere bears with balalaikas". Die Russen können Gott sei Dank gut darüber lachen, was man so stereotypisch von ihnen hält ...

 

Es könnte gar nicht verkehrter sein...

 

 

Aber von Anfang an. Nach einem weiteren kurzen Aufenthalt in Bishkek ging es für mich direkt nach Kasachstan rein und ich wollte eigentlich nur durchfahren. Der Osten ist landschaftlich relativ langweilig und flach. Darum gibt es da gar nicht so viel zu erzählen. 2 Tage a 700 km und ich war in Russland.

 

Auch hier war der Grenzübergang relaxt. Wie dem einen oder anderen bekannt sein dürfte hat Russland viel gegen Korruption gemacht. Das artet sogar dahin aus, dass ich meinen Pass bei der Passkontrolle aus der Schutzhülle nehmen musste, die prall gefüllt war mit Usbekischen Registrierungen, Kfz Papieren, Quittungen etc. Nur der "nackte" Pass wurde überhaupt angefasst.

 

Ich habe ja eine Vorliebe für skurrile Dinge im Ausland, so auch wollte ich unbedingt den kasachischen Einfallsreichtum fotografieren. Da hat der Typ doch tatsächlich einen Einkaufswagen als Dachgepäckträger montiert. Einfallsreich, pfiffig, günstig,... ja so sind sie hier.

Bis ich das Kennzeichen sah ...

Die 2 Jungs aus Bayern sind Teilnehmer der der Mongol Rallye mit ihrem La-Krass-Panda. Wir haben herzlich gelacht.

 

Der erste Stop war eine Empfehlung von Mitreisenden. Das Hotel war so gar kein Vergleich zu den vorangegangenen oder der Stadt selber. Der Besitzer hat einen Narren an alten sowjetischen Fahrzeugen gefressen. Sowohl Autos als auch grössere Geschosse, die einfach so im Hotelhof standen.

 

Mein nächstes Ziel war die Stadt Barnaul, nie gehört bevor ich auf diese Reise gestartet war. Und der Grund warum ich da hin gefahren bin ist ein besonderer Service.

Sicher kennt ihr die Fotos und Filme von Leuten, die mit Reservereifen auf ihrem Motorrad durch die Lande fahren. Immer Angst davor, dass es keine vor Ort gibt. 

Aber dafür gibt es Denis. Er hat einen der bestens funktionierenden Reifenservice in ganz Russland. Du sagst ihm was du brauchst und er liefert es in ganz Russland. Ganz schnell und unkompliziert. Und genau so hatte ich mir einen Satz Reifen nach Barnaul schicken lassen. 

 

Nach dem Reifenwechsel und dem Wechsel meines Lenkkopflagers ging es noch in eine der geilsten Biker-Kneipen, die ich kenne. 

 

Mit neuen Schlappen ging es in den russischen Altai. Ich hatte mich hier schon entschieden nicht in die Mongolei zu fahren. Wie sich später zeigen sollte, Wettertechnisch und vom Strassenzustand ohne Begleitung, wohl die richtige Entscheidung.

 

Weiter ging es ab hier immer in relativ grossen Schritten, denn zwischen den grossen Städten ist kaum eine Möglichkeit zu übernachten. Der Grossteil dieses Gebietes, wir befinden uns in Sibirien, ist sumpfig. Sieht wundervoll aus, der Boden ist aber weder zum reinfahren noch zum Zelten geeignet.

 

In Novosibirsk komme ich beim lokalen Bikerclub unter. Ein gemütlicher Abend unter Jungs. Was aber bedeutete, dass ich am nächsten Morgen nicht in der Lage war zu fahren ;)

Wenn man so unter sich ist trinkt man. Mehr privat oder im Club. In den Supermärkten ist es aber für mich sehr befremdlich, ab 21.00 gibt es gar keinen Alkohol mehr. Ähnlich wie in Skandinavien werden die Regale abgehängt oder ganze Gänge gesperrt. Auch auf der Strasse darf man nicht trinken. Auch in den Hosteln ist es verboten. Auch sonst ist der Alkoholkonsum gefühlsmässig geringer als in Deutschland, auf jeden Fall nicht so öffentlich. 

 

Der nächste Stop war bei Igor, der eine kleine Pension betreibt und mich zu einer echten Banja einlädt, inkl nassen Birkenzweigen, einem tollen Abendessen und allem was dazugehört. 

 

Die Maschine lief schon seit Kirgistan immer mal ein wenig komisch. Ohne wirklichen Grund sehr hohe Leerlaufdrehzahl oder dann mal wieder zieht sie nicht... 

Am nächsten Morgen springt sie dann nicht an und ich orgele sie fast leer. Mit dem Batteriepack und viel Gefluche läuft sie, aber schlecht. 

Da muss geguckt werden.

 

Irkutsk erreiche ich bei Regen. Das lokale Clubhaus ist offen und ich werde freundlich aufgenommen. Nachdem ich mit Händen und Füssen und "unsere aller Freund", Google Translater, dem Clubmechaniker erkläre was Sache ist, bekomme ich für den nächsten Morgen einen Termin.

 

Der Vergaser wird zerlegt, komplett gereinigt und zusammengesetzt. Problem erledigt. Die Spritqualität der letzten 15.000km war wohl doch nicht immer so gut. 

 

Irkutsk liegt am Baikal See. Ein See der Superlative. das grösste Süsswasserreservoir der Erde. Der tiefste See der Welt. Immerhin ca 1600m tief. Er beherbergt Süsswasser Robben und Omul, einen Fisch, der nur hier vorkommt und geräuchert ein Genuss ist.

 

Eine Empfehlung, der ich nachkommen will, ist die Insel Olchon auf dem Baikalsee. Die Insel selber ist zum Grossteil Nationalpark. Zu meiner Reisezeit optisch aber nichts wirklich besonderes. Ich finde aber eine kleine Pension in der ich mehr oder weniger meine eigene Holzhütte habe. Seele baumeln lassen, ein wenig rum fahren und nicht viel tun. 

Rumfahren ist hier eh so eine Sache. Die Hauptstrasse, es gibt eh nur eine, ist eine üble Wellblechpiste. Ich frage meinen Host ob sie das nicht reparieren wollen. 

Nein, daran wären die Inselbewohner nicht interessiert, denn das kostet Arbeitsplätze!

Wieso ???

Die Insel Olchon hat ca 1000 Einwohner und zur Hauptsaison kommen mehrere hundert Chinesen pro Tag dazu. Reine Tagestouristen. Diese werden mit den "Buchanka" herumgefahren. Wörtlich übersetzt ist es ein "Kastenbrot".

Die Form hat diesem Wagen den Namen gegeben. Es ist ein Allrad Van, der überall in Russland zu sehen ist und auch überall durch kommt...

Davon gibt es auf der Insel 300 Stück, bei 1000 Einwohnern!

Und wenn die Strasse gut wäre, würden die Festland-Touri-Buss oder Mietwagen hier die Arbeitsplätze gefährden. Also lieber Abends 1-2cm Bandscheibe stauchen...

 

Die Region um den Baikal See, hier vor allem die Westseite hat seinen spirituellen Schwerpunkt im Schamanismus. Überall findet man Opferplätze an denen Münzen, Zigaretten und Haare geopfert werden. Das es ein lebendiger Brauch ist merkt man an der Anzahl der Opferzigaretten.

 

In Moskau hatte ich Alex kennengelernt. Er ist der erste russischen Motorrad Touranbieter (www.rusmototravel.com) und der Organisator des ersten HU-Meetings in Russland, dass diesen Juni statt fand.

Seine Mannschaft kam nun gerade aus Vladivostok und ich hatte mich kurzentschlossen für 2 Tage in Listwjanka angeschlossen. Ein kleiner Touristenort am Südufer des Sees. 

2 Tage, tolle Gespräche und einige geräucherte Omuls später ging es wieder getrennte Wege. 

 

 

Unterwegs lernt man auch immer wieder neue und interessante Leute kennen. Shoei und Nana, ein japanisches Paar, sind schon zum sechsten Mal mit ihrer W400 unterwegs nach Deutschland und zurück. Eine Wahnsinns Leistung! 

 

Und da war wieder La-Krass-Panda mit Besatzung, die in Ulan Ude ihre Rallye über die Mongolei erfolgreich beendet haben und jetzt auf dem Weg nach Hause waren. 

 

Es ist immer wieder schön Leute wieder zu sehen, die man unterwegs getroffen hat.

 

Die Landschaft ist schön, Birkenwälder ohne Ende. Die Temperaturen sind auch weiter runter gegangen und dadurch beginnt der Herbst mit tollen Farben. Aber mein Ziel der Reise, Vladivostok ist noch so weit, dass ich noch viele elend lange Etappen vor mir habe. Also weiter.

 

2 Tage später, ich bin ca 300km vor Chita, mache ich eine Fotopause. So wie gefühlt 20 mal am Tag. Und dann will ich wieder starten. Kein Strom mehr. Die Kontrolllampen glimmen nur noch, es ist nix mehr da. Von einem Moment auf den anderen.

Kurze Kontrolle, tot. Ok, hier komme ich selber nicht weiter.

 

Bitte nicht vergessen ich bin ca 300km in jeder Richtung von einer grossen Stadt entfernt. Es gibt ein paar Truckstops und ein paar Siedlungen, "Dörfer" wäre zu weit gefasst.

Und da stehe ich nun und sehe nach ein paar Minuten ein Motorrad heranfahren. Zugreifen!!

Alex, auf einer neuen Z800 hält an und wir versuchen mit Händen und Füssen und seiner Frau am Telefon eine Lösung zu finden. Er telefoniert sicher eine halbe Stunde. Dann meint er nur eine LKW mit Kran wäre in einer Stunde da. Und er fährt weiter. Ok ?!

 

1 Stunde später sitze ich bei Zorak, einem Armenier in seinem koreanischen Abschleppwagen auf dem Weg nach Chita.

Kein billiger Spass, aber wie so oft zeigt sich, es geht immer weiter und die Hilfsbereitschaft hier ist genial. 

Ich glaube in Deutschland würde ich jetzt noch stehen...

man hat ja ADAC...

 

Das Hotel, dass ich schon in Chita gebucht hatte ist in einer Seitenstrasse, ganz hinten, nicht beleuchtet, nicht ausgeschildert oder sonst wie als Hotel zu erkennen. Selbst mein LKW Fahrer ist die Sache nicht ganz geheuer. 

Sascha, mein Hotelier und seine Frau sind aber wieder so eine Eingabe vom Universum. 

 

Nachdem er gehört hat was mein Problem ist, meint er nur: Kein Thema, Morgen hat er frei und wir werden eine Lösung finden. Er fährt mich in der ganzen Stadt herum, auf der Suche nach der richtigen Batterie, einem KfZ Elektriker, Kabel und Zeug,... Wahnsinn!

 

Besagter Elektriker ist allerdings ein Stümper und wenn ich nicht "AUS!" geschrieen hätte hätte er noch die Lichtmaschine abgewickelt.

 

Am nächsten Tag dann viel mit Freunden und Spezialisten in Deutschland geskypt und das Internet durchsucht. Weitere Lüsterklemmen, Kabel und 3M Tape weiter steht der Ladestrom konstant bei 14,4V und es sieht so aus als ob ich weiter fahren kann. 

 

Hier kommt nun eine ganz lange Strecke mit nur einer Übernachtungsmöglichkeit. Ich lasse mir ein Zimmer im Voraus buchen um sicher zu sein. 

Vor Ort, einem Trucker Motel, treffe ich einen englischen Reisenden, der per Anhalter unterwegs ist. Es wird spät und weil er keine Mitfahrgelegenheit bekommt lade ich ihn ein das Doppelzimmer mit mir zu teilen. Mein Einstieg ins Couchsurfen :)

Am nächsten Morgen wäre ich sonst lange weg gewesen, aber wir verquatschen uns wieder und als wir fast los wollen kommt ein Motorrad vorgefahren. 

Habe ich schon mal erwähnt, dass es keine Zufälle gibt?

 

Moses, ein Amerikaner ist auch auf dem Weg nach Vladivostok. Also, lass uns zusammen fahren. 

 

Mehre Tage sind wir zusammen unterwegs, schauen uns das neue russische Kosmodrom an, testen mehrere Motelzimmer und einen tollen Zeltplatz an einem See aus, reparieren sein Radlager und kommen als Team gut voran. 

Wir wollen beide in Vladivostok ein paar Tage bleiben und beschiessen uns ein ganzes Appartment zu buchen. Dort bleiben wir mehrere Tage um Vladivostok und die Gegend zu erkunden und alte Reise-Freunde wieder zu sehen.

 

Die Gegend? Da geht es doch gar nicht mehr weiter. Doch! 

Denn ca 180km weiter ist die Grenze zu Nord Korea. War da schon mal einer von euch? 

Also haben wir einen kleinen Ausflug an die Grenze gemacht. Sind dann wohl etwas zu lange im Grenzgebiet, für das man eine Sondergenehmigung braucht, rumgelungert. Jedenfalls waren wir etwa eine Stunde später beim Russischen Grenzschutz zum Verhör. 

 

Handschellen, Hunde, böse guckende Grenzer, Kalaschnikows, Leibesvisitation, Lampe im Gesicht, nasskalte Zelle, Anruf bei der deutschen Botschaft: NIET! 

Stellt ihr euch das so vor? Nööö...

 

"Fahrt mir mal hinterher", "Parken könnt ihr hier", "Das ist ist Olga (Name von der Redaktion geändert), Sie wird übersetzen." "Wollt ihr was trinken, braucht ihr ein Klo?"

 

Nach einer kurzen schriftlichen Erklärung, was wir da gemacht haben und je 20€ Strafe, mit Quittung und allen drum und dran, können wir gehen. 

Olga hat sich riesig gefreut wieder mal englisch sprechen zu können und wir werden vom Beamten mit Handschlag verabschiedet. 

 

Der Turm auf dem Foto ist schon die andere Seite ...

 

Mein ursprünglicher Plan, von Vladivostok aus zu verschiffen, erwies sich als völlig überteuert. Mitreisende haben für 2 WR250 knappe €7000.- bezahlt. Nee Danke! 

Also Planänderung. 

Über die inzwischen guten Kontakte zu den russischen Bikern bekommen wir eine Empfehlung zu Gregory von BMW Vladivostok. Dem östlichsten BMW Motorrad Händler in Russland.

Einen Kaffee, Kekse und ein paar Telefonate weiter können wir unsere Motorräder zum Rücktransport nach Moskau abgeben können. 

 

Ab dem Moment, dass unsere Motorräder abgegeben waren, wurde es mulmig. Nach ca 25.000km auf dem Bock ist er jetzt weg und wir freunden uns mit öffentlichen Transportmitteln an. 

 

Mein Weg soll mich dann auch mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Moskau führen. 

 

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Comments: 3
  • #1

    Cristina (Saturday, 07 October 2017 16:39)

    Super, insfarsit din nou noutati.....le tot asteptam. Aha, turnul este pe partea nord coreana...bravo,cam aproape. Bine ca nu te-au impuscat coreeni...si cu un american,sigur le dadea permisie pe 1 luna!!!! Vad ca te fascineaza felul rusesc de a "se descurca"...se pare ca si in razboi ..reparau tancul ..cum se putea ... alti faceau intai raport semnat...inaintat la superior ! Americani sant si ei " gura casca" cum se descurca cosmonautul rus. Raman la parerea mea despre ei...fara comentarii. Ai pus poze multe..ca la Bild, f. nostime alea din barul motociclistilor.
    Se pare ca-ti merge bine, drum bun cu transiberianul...data 15.08...cred ca este ..pe langa...nu-i de mirare in imensitatea aia de tara. Pupam si ramanem interesati !
    Cristina

  • #2

    Birgit und Ignatz (Tuesday, 10 October 2017)

    Hey Rosto
    Wieder zwei super spannende ein einfach toll illustrierte Berichte. Sehr schön auch, von deinen interessanten, netten und hilfsbereiten Begegnungen zu lesen. Und deine persönlichen Grüsse sind auch angekommen. Darüber haben wir uns sehr gefreut. Vielen Dank und eine tolle Reise mit der Bahn!
    Herbstliche Grüsse aus der Heimat
    Birgit und Ignatz

  • #3

    Christian _ LaKrassaPanda :) (Wednesday, 25 October 2017 22:15)

    Hi Rosto,
    schön. dass wir es in deinen Blog geschafft haben (grins). Echt eine klasse Tour die du da machst und super Fotos. Da bekommt man gleich wieder Fernweh...